Die Wehrmacht und Griechenland
"Befriedung der Festung"
Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944 (Teil II).
Von Martin Seckendorf
Mit der militärischen Lage veränderte sich Ende 1942, Anfang 1943 auch die strategische Bedeutung Griechenlands für die deutsche Kriegführung. Bei Stalingrad erzwang die Rote Armee die Kriegswende, in Nordafrika besiegten die Westalliierten Rommels Afrikakorps, in Jugoslawien und Griechenland erlebte die Partisanenbewegung einen gewaltigen Aufschwung. Am 8. September 1943 schied Italien aus dem faschistischen Achsenbündnis aus.
Gefahr an Südostflanke
Die deutsche Führung ging davon aus, daß die Westalliierten im Frühjahr 1943 mit einer Landung in Griechenland eine zweite Front in Europa eröffnen werden. Galt Griechenland im strategischen Kalkül der deutschen Führung bisher als Absprung- und Nachschubbasis, sollte es jetzt in eine Festung verwandelt werden und die militärisch wie kriegswirtschaftlich immer wichtiger werdende Südostflanke des Nazi-Imperiums decken.
Wegen des Ausscheidens der Italiener als Besatzungsmacht dehnte die Wehrmacht die deutsche Herrschaft auch auf die italienische Zone in Griechenland aus. Die deutschen Truppen wurden von 75000 auf 250000 Mann verstärkt und erhielten eine neue Befehlsführung. Oberste Kommandobehörde für Griechenland wurde die neu aufgestellte Heeresgruppe E unter Generaloberst Löhr. Die Heeresgruppe konnte erstmals über alle bewaffneten Kräfte der Eroberer, einschließlich der Verbände der Bulgaren und der Waffen-SS sowie der Kollaborateure in Griechenland, verfügen.
Für die Okkupationsverwaltung wurde die Dienststelle Militärbefehlshaber Griechenland unter General Speidel geschaffen. Er erhielt in ganz Griechenland die vollziehende Gewalt. Damit entschied die Wehrmacht auch in der neuen Etappe der Besatzungspolitik alle für die Griechen und das Land wichtige Fragen. Dem Militärbefehlshaber war auch der ebenfalls neu berufene Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) samt seiner Institution unterstellt. Dieser sollte im Auftrag des Militärbefehlshabers den polizeilichen und geheimpolizeilichen Bereich, einschließlich jenen der Kollaborationsverwaltung, leiten, ausbauen und gegen die Widerstandsbewegung, vornehmlich in den Städten, führen.
Hauptaufgabe des umgestalteten Besatzungsapparates war die rigorose Bekämpfung der Partisanenbewegung und die brutale Unterdrückung der sie unterstützenden Zivilbevölkerung. Zur Abwehr der erwarteten Invasion der Alliierten sei es notwendig, die inneren Verhältnisse der besetzten Südostgebiete "mit starker Hand zu ordnen", heißt es in einer Denkschrift des Führungsstabes der Wehrmacht vom 10. Dezember 1942. Der Chef des OKW, Keitel, fügte hinzu, "der griechische Raum ist heute als ein Kriegsschauplatz erster Ordnung zu bezeichnen". Die "Befriedung" der Festung Griechenland war nicht mehr nur ein okkupationspolitisches, gewissermaßen innenpolitisches Problem. Angesichts der erwarteten Invasion war sie Teil der Vorbereitungen auf den militärischen Großkampf. Deshalb sollte die Widerstandsbewegung noch vor der Landung alliierter Truppen endgültig vernichtet und die Bevölkerung durch terroristische Maßnahmen derart eingeschüchtert werden, daß sie im Invasionsfall nicht wage, sich gegen die Deutschen zu erheben. Die präventive Funktion des Massenterrors trat noch stärker hervor.
Hauptkraft des bewaffneten Befreiungskampfes und seit Herbst 1943 einziger militärischer Gegner der Deutschen in Griechenland war die ELAS. Die bürgerliche Organisation EDES spielte militärisch keine Rolle mehr; ihre Führer kollaborierten seit Ende 1943 mit den Deutschen. Bereits im April 1943 hatte der Militärbefehlshaber Südgriechenland die politische Struktur des Widerstandes mit "etwa 90 Prozent rein kommunistisch, 10 Prozent nationalistisch" angegeben. ELAS fügte den Okkupanten nach einem Bericht des Militärbefehlshabers Griechenland vom 19. Oktober 1943 "erhebliche Verluste an Menschen und Material" zu.
Mit brutalsten Mitteln
Kaum noch verschlüsselt befahlen alle Führungsebenen jetzt den Massenmord an Zivilisten beiderlei Geschlechts und jeden Alters. Hitlers "Weisung Nr. 47" vom 28. Dezember 1942 bestimmte als Hauptaufgabe des Oberbefehlshabers Südost die "endgültige Befriedung des Hinterlandes und Vernichtung der Aufständischen und Banden aller Art". Hitler forderte, die Befehle zur Partisanenbekämpfung noch weiter zu verschärfen. Den deutschen Kräften dürften keinerlei Beschränkungen bei der Tötung von Menschen und der Vernichtung von Sachwerten auferlegt, jedem Soldaten müsse generell Straffreiheit zugesichert und jene Soldaten als "Verräter am deutschen Volk" gebrandmarkt werden, die nicht mit der geforderten Rücksichtslosigkeit vorgingen. Der Chef des Führungsstabes der Wehrmacht, Jodl, versicherte, nach diesem Befehl könnten die Soldaten auch mit Frauen und Kindern "machen, was sie wollen: Sie dürfen sie aufhängen, verkehrt aufhängen oder vierteilen". Der am 16. Dezember 1942 erlassene Befehl richtete sich nicht nur gegen die Partisanen, sondern auch gegen "Mitläufer", was den zu vernichtenden Personenkreis beträchtlich ausweitete. Der Chef des OKW befahl: Der Kampf muß "mit den allerbrutalsten Mitteln geführt" werden. "Die Truppe ist berechtigt und verpflichtet, in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt." Auf dieser Grundlage erließ am 14. Juli 1943 der Oberbefehlshaber Südost, Löhr, einen speziellen Befehl. Nach der inzwischen erfolgten alliierten Landung auf Sizilien (9./10. Juli 1943) ordnete er noch direkter den Massenterror gegen die Bevölkerung als Prävention und Vorbereitung auf eine alliierte Landung an. Partisanen und "Mitläufer" spielten im Befehl keine Rolle, die gesamte Bevölkerung sollte getroffen werden. Es heißt dort: "Bei feindlichen Landungsangriffen ist mit weitestgehender Beteiligung aufsässiger Bevölkerungsteile auf Seiten des Feindes zu rechnen... Ich ermächtige und verpflichte alle Kommandeure, von sich aus, ohne vorherige Genehmigung der vorgesetzten Stelle, bei offensichtlich feindseliger Haltung der Bevölkerung schärfste Maßnahmen zu ergreifen."
Auch bei anderen Grundsatzbefehlen des OKW nutzten die Militärbehörden im Südosten ihren Handlungsspielraum und verschärften die zentralen Direktiven. Wegen des Arbeitskräftemangels in Deutschland wies Hitler am 7. Juli 1943 an, Partisanen und "Mitläufer" nicht mehr generell und sofort zu töten, sondern die Arbeitsfähigen als militärische Zwangsarbeiter nach Deutschland zu deportieren. Die Behörden im Südosten machten in den Ausführungsbefehlen die Einschränkung, daß es dabei keine Abstriche am Konzept der massenhaften Tötung von Zivilisten zur Bekämpfung der Partisanenbewegung geben dürfe. "Sühnemaßnahmen" seien "wie bisher mit den härtesten Mitteln durchzuführen". Der Grundsatz, "die gesamte männliche Bevölkerung" eines Dorfes bei Verdacht auf "Teilnahme oder Unterstützung der Banden zu erschießen oder zu erhängen", müsse unbedingt beibehalten werden. Erst in zweiter Linie sei die Deportation zur Zwangsarbeit zu erwägen. Am 18. August 1943 bestätigte der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht diese Linie der Militärbehörden im Südosten. Er schrieb, bei besonderen Umständen könne angeordnet werden, "daß keine Gefangenen gemacht werden bzw. daß Gefangene und im Kampfraum ergriffene Bevölkerung erschossen werden dürfen".
Mit der Kriegswende wurde auch das terroristische Methodeninventar erweitert. Neben Luftangriffen gegen "verdächtige" Ortschaften wurde die Beschießung der Dörfer mit weitreichender Artillerie befohlen. Bei Partisanenaktionen seien die "in der Nähe" liegenden Ortschaften durch zusammengefaßte Feuerschläge ohne Vorwarnung zu vernichten. Eine besonders brutale Neuerung war die Einführung fahrbarer Geisellager. Am 15. Juli 1943 wurde befohlen, bei jedem Transportzug einen verriegelten Güterwagen mit Geiseln mitzuführen. Bei einer Partisanenaktion, "ob sie gelingt oder nicht", so der Chef des Generalstabs des OB Südost, seien die Geiseln durch Zündung vorsorglich angebrachter geballter Ladungen und durch das zusammengefaßte Feuer der Begleitkommandos "sofort" zu töten. Für Kreta wurde angeordnet, bei Kfz-Kolonnen "in größerer Zahl" junge Mädchen als Geiseln mitzuführen.
Die "Edelweiß-Division"
Die deutschen Behörden drängten die Italiener, in ihrer Zone mit den Griechen in gleicher Weise zu verfahren, was diese ablehnten. Die nach der Kriegswende in die italienische Zone einrückenden deutschen Divisionen erhielten die Anweisung, unter Umgehung der italienischen Behörden selbständig gegen die griechische Bevölkerung nach den deutschen Grundsatzbefehlen vorzugehen. Damit wurde vor der italienischen Kapitulation die bis dahin nur in den deutschen Zonen praktizierte Terrorpolitik auch auf die italienische Zone übertragen.
Für die Verlegung der 1. Gebirgsdivision, wegen ihres taktischen Zeichens auch "Edelweiß-Division" genannt, in das von den Italienern besetzte Gebiet Joannina erging am 7. Juli 1943 folgender Befehl: "Alle Ortschaften, die den Banden als Zuflucht dienen können, sind zu zerstören, die männliche Bevölkerung ist, soweit sie nicht wegen Verdachts der Teilnahme am Kampf oder Unterstützung der Banden erschossen wird, restlos zu erfassen und als Gefangene abzuschieben. Bei Sabotagefällen... sind strengste Sühnemaßnahmen gegen die Bevölkerung zu treffen." Der Erste Generalstabsoffizier (Ia), Thilo, dessen Aufgabe u.a. die Vorbereitung der Einsatzbefehle war, baute nach 1945 die "Gebirgstruppe" der Bundeswehr auf, führte jahrelang als Kommandeur die 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr - ebenso "Edelweiß-Division" genannt - und schied nach Erreichung der Altersgrenze in allen Ehren und mit gut dotierter Pension als Generalmajor aus den westdeutschen Streitkräften aus. Die 1943 nach Griechenland versetzte "Edelweiß-Division" kam aus Jugoslawien, wo der Verband nach Divisionsberichten mehr als 10000 "Banditen", sprich Tito- Partisanen und "Mitläufer", vernichtet hatte. Im Juli 1943 brannten Einheiten der Division bei mehreren "Säuberungsunternehmen" im italienisch besetzten Gebiet Griechenlands mehrere Dörfer nieder und erschossen über 100 Zivilisten. Am 16. August 1943 vernichteten die Gebirgsjäger die im italienisch besetzten Epiros liegende Ortschaft Kommeno und metzelten 317 Bewohner jeden Alters und beiderlei Geschlechts auf unbeschreiblich grausame Weise nieder. In einer Ermittlungsakte des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 16. April 1969 heißt es, daß sich unter den Opfern "schwangere Frauen befunden haben. Viele Frauen seien vor der Ermordung vergewaltigt worden, Leiber von Frauen aufgeschnitten und die Kinder in der Weise verbrannt, daß sie ihnen mit Benzin getränkte Watte in die Münder stopften und die Watte dann anzündeten. Auch seien Personen die Augen ausgestochen worden." (Das Verfahren wurde eingestellt, da es sich nach Meinung des Landgerichts München I um normale Kriegshandlungen gehandelt habe). Die Italiener wurden über die Aktion in ihrer Zone nicht einmal informiert.
Nach dem Ausscheiden Italiens aus dem faschistischen Bündnis richtete sich der deutsche Terror auch gegen die in Griechenland stationierten Soldaten des ehemaligen Bundesgenossen. Wegen "Verrats an der Achse" wurden ab 8. September auf Rhodos und auf Ägäischen Inseln mehrere hundert italienische Offiziere erschossen. Die italienische Besatzung der Ionischen Insel Kephalonia widersetzte sich der Aufforderung zur Kapitulation. Deutsche Truppen stürmten die Insel. Aufgrund eines Sonderbefehls sollten keine Gefangenen gemacht werden. Hauptsächlich Einheiten der "Edelweiß-Division" erschossen den italienischen Divisionskommandeur und 5170 Soldaten - nachdem diese sich ergeben hatten.
Nachdem Hunderte Dörfer zerstört und viele tausend Griechen ermordet waren, fürchtete der Kollaborationsministerpräsident Rallis, seinen ohnehin geringen Kredit bei den Griechen vollständig zu verlieren. In einem Schreiben an den deutschen Militärbefehlshaber wies er darauf hin, daß unter dem Vorwand, Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenaktionen durchzuführen, "die Vernichtung Griechenlands" im Gange sei. Allein im Oktober 1943 habe man im Epiros, dem Operationsgebiet der 1. Gebirgsdivision, über 1000 Griechen umgebracht. Seit dem Einmarsch der Wehrmacht in das relativ kleine Gebiet im Juli 1943 seien mehr als 100 Dörfer zerstört worden.
Fehleinschätzung
Ende 1943 stellten die deutschen Militärs fest, daß ihre Erwartung, mit den Truppenverstärkungen und exzessiver Terrorpolitik die Partisanenbewegung vernichten zu können, auf einer eklatanten Fehleinschätzung beruhte. EAM und ELAS hatten inzwischen ein großes politisches und militärisches Gewicht gewonnen. Im September 1943 stellte der Militärbefehlshaber fest, daß "Griechenland nur zu einem kleinen Teil wirklich in deutscher Hand" ist. Hinzu kam, daß in den deutschen Vorstellungen die alliierte Landung immer wahrscheinlicher wurde, weitere Truppenverstärkungen aber wegen der Gesamtkriegslage unmöglich waren. Hermann Neubacher, "Sonderbevollmächtigter des Auswärtigen Amtes für den Südosten", kam zu dem Schluß, die Wehrmacht sei nicht in der Lage, die ihr gestellte doppelte Aufgabe zu lösen: Die Invasion zu verhindern und zuvor, gewissermaßen als Voraussetzung einer Invasionsabwehr, die Partisanen zu vernichten.
In einem erneuten Schwenk ihrer Okkupationspolitik versuchten die Deutschen nunmehr, das für sie immer ungünstigere Kräfteverhältnis mit politischen und propagandistischen Mitteln, insbesondere mit "zielgenauerem" Antikommunismus auszugleichen. Im Zentrum stand jetzt die Kollaboration. Vor allem im bewaffneten Bereich versuchten sie, die Kollaboration erheblich auszuweiten und einen Bürgerkrieg zu entfachen. In einem regelrechten Vernichtungskrieg sollten die Träger und Sympathisanten des Widerstands ausgerottet und dabei unter deutscher Leitung künftig immer mehr Griechen von Griechen umgebracht werden. Ab Herbst 1943 gingen Neubacher und die Militärs daran, dieses Konzept zügig umzusetzen. Dabei kam es 1944 zu einer nochmaligen Steigerung der Opfer unter der Zivilbevölkerung.
Die Massaker der Wehrmacht in Griechenland 1941 bis 1944 (Teil II).
Von Martin Seckendorf
Mit der militärischen Lage veränderte sich Ende 1942, Anfang 1943 auch die strategische Bedeutung Griechenlands für die deutsche Kriegführung. Bei Stalingrad erzwang die Rote Armee die Kriegswende, in Nordafrika besiegten die Westalliierten Rommels Afrikakorps, in Jugoslawien und Griechenland erlebte die Partisanenbewegung einen gewaltigen Aufschwung. Am 8. September 1943 schied Italien aus dem faschistischen Achsenbündnis aus.
Gefahr an Südostflanke
Die deutsche Führung ging davon aus, daß die Westalliierten im Frühjahr 1943 mit einer Landung in Griechenland eine zweite Front in Europa eröffnen werden. Galt Griechenland im strategischen Kalkül der deutschen Führung bisher als Absprung- und Nachschubbasis, sollte es jetzt in eine Festung verwandelt werden und die militärisch wie kriegswirtschaftlich immer wichtiger werdende Südostflanke des Nazi-Imperiums decken.
Wegen des Ausscheidens der Italiener als Besatzungsmacht dehnte die Wehrmacht die deutsche Herrschaft auch auf die italienische Zone in Griechenland aus. Die deutschen Truppen wurden von 75000 auf 250000 Mann verstärkt und erhielten eine neue Befehlsführung. Oberste Kommandobehörde für Griechenland wurde die neu aufgestellte Heeresgruppe E unter Generaloberst Löhr. Die Heeresgruppe konnte erstmals über alle bewaffneten Kräfte der Eroberer, einschließlich der Verbände der Bulgaren und der Waffen-SS sowie der Kollaborateure in Griechenland, verfügen.
Für die Okkupationsverwaltung wurde die Dienststelle Militärbefehlshaber Griechenland unter General Speidel geschaffen. Er erhielt in ganz Griechenland die vollziehende Gewalt. Damit entschied die Wehrmacht auch in der neuen Etappe der Besatzungspolitik alle für die Griechen und das Land wichtige Fragen. Dem Militärbefehlshaber war auch der ebenfalls neu berufene Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) samt seiner Institution unterstellt. Dieser sollte im Auftrag des Militärbefehlshabers den polizeilichen und geheimpolizeilichen Bereich, einschließlich jenen der Kollaborationsverwaltung, leiten, ausbauen und gegen die Widerstandsbewegung, vornehmlich in den Städten, führen.
Hauptaufgabe des umgestalteten Besatzungsapparates war die rigorose Bekämpfung der Partisanenbewegung und die brutale Unterdrückung der sie unterstützenden Zivilbevölkerung. Zur Abwehr der erwarteten Invasion der Alliierten sei es notwendig, die inneren Verhältnisse der besetzten Südostgebiete "mit starker Hand zu ordnen", heißt es in einer Denkschrift des Führungsstabes der Wehrmacht vom 10. Dezember 1942. Der Chef des OKW, Keitel, fügte hinzu, "der griechische Raum ist heute als ein Kriegsschauplatz erster Ordnung zu bezeichnen". Die "Befriedung" der Festung Griechenland war nicht mehr nur ein okkupationspolitisches, gewissermaßen innenpolitisches Problem. Angesichts der erwarteten Invasion war sie Teil der Vorbereitungen auf den militärischen Großkampf. Deshalb sollte die Widerstandsbewegung noch vor der Landung alliierter Truppen endgültig vernichtet und die Bevölkerung durch terroristische Maßnahmen derart eingeschüchtert werden, daß sie im Invasionsfall nicht wage, sich gegen die Deutschen zu erheben. Die präventive Funktion des Massenterrors trat noch stärker hervor.
Hauptkraft des bewaffneten Befreiungskampfes und seit Herbst 1943 einziger militärischer Gegner der Deutschen in Griechenland war die ELAS. Die bürgerliche Organisation EDES spielte militärisch keine Rolle mehr; ihre Führer kollaborierten seit Ende 1943 mit den Deutschen. Bereits im April 1943 hatte der Militärbefehlshaber Südgriechenland die politische Struktur des Widerstandes mit "etwa 90 Prozent rein kommunistisch, 10 Prozent nationalistisch" angegeben. ELAS fügte den Okkupanten nach einem Bericht des Militärbefehlshabers Griechenland vom 19. Oktober 1943 "erhebliche Verluste an Menschen und Material" zu.
Mit brutalsten Mitteln
Kaum noch verschlüsselt befahlen alle Führungsebenen jetzt den Massenmord an Zivilisten beiderlei Geschlechts und jeden Alters. Hitlers "Weisung Nr. 47" vom 28. Dezember 1942 bestimmte als Hauptaufgabe des Oberbefehlshabers Südost die "endgültige Befriedung des Hinterlandes und Vernichtung der Aufständischen und Banden aller Art". Hitler forderte, die Befehle zur Partisanenbekämpfung noch weiter zu verschärfen. Den deutschen Kräften dürften keinerlei Beschränkungen bei der Tötung von Menschen und der Vernichtung von Sachwerten auferlegt, jedem Soldaten müsse generell Straffreiheit zugesichert und jene Soldaten als "Verräter am deutschen Volk" gebrandmarkt werden, die nicht mit der geforderten Rücksichtslosigkeit vorgingen. Der Chef des Führungsstabes der Wehrmacht, Jodl, versicherte, nach diesem Befehl könnten die Soldaten auch mit Frauen und Kindern "machen, was sie wollen: Sie dürfen sie aufhängen, verkehrt aufhängen oder vierteilen". Der am 16. Dezember 1942 erlassene Befehl richtete sich nicht nur gegen die Partisanen, sondern auch gegen "Mitläufer", was den zu vernichtenden Personenkreis beträchtlich ausweitete. Der Chef des OKW befahl: Der Kampf muß "mit den allerbrutalsten Mitteln geführt" werden. "Die Truppe ist berechtigt und verpflichtet, in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt." Auf dieser Grundlage erließ am 14. Juli 1943 der Oberbefehlshaber Südost, Löhr, einen speziellen Befehl. Nach der inzwischen erfolgten alliierten Landung auf Sizilien (9./10. Juli 1943) ordnete er noch direkter den Massenterror gegen die Bevölkerung als Prävention und Vorbereitung auf eine alliierte Landung an. Partisanen und "Mitläufer" spielten im Befehl keine Rolle, die gesamte Bevölkerung sollte getroffen werden. Es heißt dort: "Bei feindlichen Landungsangriffen ist mit weitestgehender Beteiligung aufsässiger Bevölkerungsteile auf Seiten des Feindes zu rechnen... Ich ermächtige und verpflichte alle Kommandeure, von sich aus, ohne vorherige Genehmigung der vorgesetzten Stelle, bei offensichtlich feindseliger Haltung der Bevölkerung schärfste Maßnahmen zu ergreifen."
Auch bei anderen Grundsatzbefehlen des OKW nutzten die Militärbehörden im Südosten ihren Handlungsspielraum und verschärften die zentralen Direktiven. Wegen des Arbeitskräftemangels in Deutschland wies Hitler am 7. Juli 1943 an, Partisanen und "Mitläufer" nicht mehr generell und sofort zu töten, sondern die Arbeitsfähigen als militärische Zwangsarbeiter nach Deutschland zu deportieren. Die Behörden im Südosten machten in den Ausführungsbefehlen die Einschränkung, daß es dabei keine Abstriche am Konzept der massenhaften Tötung von Zivilisten zur Bekämpfung der Partisanenbewegung geben dürfe. "Sühnemaßnahmen" seien "wie bisher mit den härtesten Mitteln durchzuführen". Der Grundsatz, "die gesamte männliche Bevölkerung" eines Dorfes bei Verdacht auf "Teilnahme oder Unterstützung der Banden zu erschießen oder zu erhängen", müsse unbedingt beibehalten werden. Erst in zweiter Linie sei die Deportation zur Zwangsarbeit zu erwägen. Am 18. August 1943 bestätigte der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht diese Linie der Militärbehörden im Südosten. Er schrieb, bei besonderen Umständen könne angeordnet werden, "daß keine Gefangenen gemacht werden bzw. daß Gefangene und im Kampfraum ergriffene Bevölkerung erschossen werden dürfen".
Mit der Kriegswende wurde auch das terroristische Methodeninventar erweitert. Neben Luftangriffen gegen "verdächtige" Ortschaften wurde die Beschießung der Dörfer mit weitreichender Artillerie befohlen. Bei Partisanenaktionen seien die "in der Nähe" liegenden Ortschaften durch zusammengefaßte Feuerschläge ohne Vorwarnung zu vernichten. Eine besonders brutale Neuerung war die Einführung fahrbarer Geisellager. Am 15. Juli 1943 wurde befohlen, bei jedem Transportzug einen verriegelten Güterwagen mit Geiseln mitzuführen. Bei einer Partisanenaktion, "ob sie gelingt oder nicht", so der Chef des Generalstabs des OB Südost, seien die Geiseln durch Zündung vorsorglich angebrachter geballter Ladungen und durch das zusammengefaßte Feuer der Begleitkommandos "sofort" zu töten. Für Kreta wurde angeordnet, bei Kfz-Kolonnen "in größerer Zahl" junge Mädchen als Geiseln mitzuführen.
Die "Edelweiß-Division"
Die deutschen Behörden drängten die Italiener, in ihrer Zone mit den Griechen in gleicher Weise zu verfahren, was diese ablehnten. Die nach der Kriegswende in die italienische Zone einrückenden deutschen Divisionen erhielten die Anweisung, unter Umgehung der italienischen Behörden selbständig gegen die griechische Bevölkerung nach den deutschen Grundsatzbefehlen vorzugehen. Damit wurde vor der italienischen Kapitulation die bis dahin nur in den deutschen Zonen praktizierte Terrorpolitik auch auf die italienische Zone übertragen.
Für die Verlegung der 1. Gebirgsdivision, wegen ihres taktischen Zeichens auch "Edelweiß-Division" genannt, in das von den Italienern besetzte Gebiet Joannina erging am 7. Juli 1943 folgender Befehl: "Alle Ortschaften, die den Banden als Zuflucht dienen können, sind zu zerstören, die männliche Bevölkerung ist, soweit sie nicht wegen Verdachts der Teilnahme am Kampf oder Unterstützung der Banden erschossen wird, restlos zu erfassen und als Gefangene abzuschieben. Bei Sabotagefällen... sind strengste Sühnemaßnahmen gegen die Bevölkerung zu treffen." Der Erste Generalstabsoffizier (Ia), Thilo, dessen Aufgabe u.a. die Vorbereitung der Einsatzbefehle war, baute nach 1945 die "Gebirgstruppe" der Bundeswehr auf, führte jahrelang als Kommandeur die 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr - ebenso "Edelweiß-Division" genannt - und schied nach Erreichung der Altersgrenze in allen Ehren und mit gut dotierter Pension als Generalmajor aus den westdeutschen Streitkräften aus. Die 1943 nach Griechenland versetzte "Edelweiß-Division" kam aus Jugoslawien, wo der Verband nach Divisionsberichten mehr als 10000 "Banditen", sprich Tito- Partisanen und "Mitläufer", vernichtet hatte. Im Juli 1943 brannten Einheiten der Division bei mehreren "Säuberungsunternehmen" im italienisch besetzten Gebiet Griechenlands mehrere Dörfer nieder und erschossen über 100 Zivilisten. Am 16. August 1943 vernichteten die Gebirgsjäger die im italienisch besetzten Epiros liegende Ortschaft Kommeno und metzelten 317 Bewohner jeden Alters und beiderlei Geschlechts auf unbeschreiblich grausame Weise nieder. In einer Ermittlungsakte des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 16. April 1969 heißt es, daß sich unter den Opfern "schwangere Frauen befunden haben. Viele Frauen seien vor der Ermordung vergewaltigt worden, Leiber von Frauen aufgeschnitten und die Kinder in der Weise verbrannt, daß sie ihnen mit Benzin getränkte Watte in die Münder stopften und die Watte dann anzündeten. Auch seien Personen die Augen ausgestochen worden." (Das Verfahren wurde eingestellt, da es sich nach Meinung des Landgerichts München I um normale Kriegshandlungen gehandelt habe). Die Italiener wurden über die Aktion in ihrer Zone nicht einmal informiert.
Nach dem Ausscheiden Italiens aus dem faschistischen Bündnis richtete sich der deutsche Terror auch gegen die in Griechenland stationierten Soldaten des ehemaligen Bundesgenossen. Wegen "Verrats an der Achse" wurden ab 8. September auf Rhodos und auf Ägäischen Inseln mehrere hundert italienische Offiziere erschossen. Die italienische Besatzung der Ionischen Insel Kephalonia widersetzte sich der Aufforderung zur Kapitulation. Deutsche Truppen stürmten die Insel. Aufgrund eines Sonderbefehls sollten keine Gefangenen gemacht werden. Hauptsächlich Einheiten der "Edelweiß-Division" erschossen den italienischen Divisionskommandeur und 5170 Soldaten - nachdem diese sich ergeben hatten.
Nachdem Hunderte Dörfer zerstört und viele tausend Griechen ermordet waren, fürchtete der Kollaborationsministerpräsident Rallis, seinen ohnehin geringen Kredit bei den Griechen vollständig zu verlieren. In einem Schreiben an den deutschen Militärbefehlshaber wies er darauf hin, daß unter dem Vorwand, Sühne- und Vergeltungsmaßnahmen für Partisanenaktionen durchzuführen, "die Vernichtung Griechenlands" im Gange sei. Allein im Oktober 1943 habe man im Epiros, dem Operationsgebiet der 1. Gebirgsdivision, über 1000 Griechen umgebracht. Seit dem Einmarsch der Wehrmacht in das relativ kleine Gebiet im Juli 1943 seien mehr als 100 Dörfer zerstört worden.
Fehleinschätzung
Ende 1943 stellten die deutschen Militärs fest, daß ihre Erwartung, mit den Truppenverstärkungen und exzessiver Terrorpolitik die Partisanenbewegung vernichten zu können, auf einer eklatanten Fehleinschätzung beruhte. EAM und ELAS hatten inzwischen ein großes politisches und militärisches Gewicht gewonnen. Im September 1943 stellte der Militärbefehlshaber fest, daß "Griechenland nur zu einem kleinen Teil wirklich in deutscher Hand" ist. Hinzu kam, daß in den deutschen Vorstellungen die alliierte Landung immer wahrscheinlicher wurde, weitere Truppenverstärkungen aber wegen der Gesamtkriegslage unmöglich waren. Hermann Neubacher, "Sonderbevollmächtigter des Auswärtigen Amtes für den Südosten", kam zu dem Schluß, die Wehrmacht sei nicht in der Lage, die ihr gestellte doppelte Aufgabe zu lösen: Die Invasion zu verhindern und zuvor, gewissermaßen als Voraussetzung einer Invasionsabwehr, die Partisanen zu vernichten.
In einem erneuten Schwenk ihrer Okkupationspolitik versuchten die Deutschen nunmehr, das für sie immer ungünstigere Kräfteverhältnis mit politischen und propagandistischen Mitteln, insbesondere mit "zielgenauerem" Antikommunismus auszugleichen. Im Zentrum stand jetzt die Kollaboration. Vor allem im bewaffneten Bereich versuchten sie, die Kollaboration erheblich auszuweiten und einen Bürgerkrieg zu entfachen. In einem regelrechten Vernichtungskrieg sollten die Träger und Sympathisanten des Widerstands ausgerottet und dabei unter deutscher Leitung künftig immer mehr Griechen von Griechen umgebracht werden. Ab Herbst 1943 gingen Neubacher und die Militärs daran, dieses Konzept zügig umzusetzen. Dabei kam es 1944 zu einer nochmaligen Steigerung der Opfer unter der Zivilbevölkerung.
carlos-allesia - 2. Nov, 08:57
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